Rheinische Post online
06. März 2008 | 00.00 Uhr

Viersen:
Portrait in Texten und Musik

Viersen. Als Otmar Nagel wegen des enormen Andranges zur Süchtelner Vespermusik mit dem Duo "bernshteyn" Notsitzplätze in der Sakristei anbot, klangen aus seiner Stimme Freude und Verzweiflung.Ein passender Auftakt für das Konzert, in dem Ute Bernstein und Achim Lüdecke dem geradezu begierig lauschendem Publikum Leben und Werk der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko nahebrachten. Sabine Zeller

nKaléko wurde 1907 in Galizien geboren. "Bedrohliche Armut prägte die Menschen", erklärte Bernstein. So siedelte die Familie 1914 nach Deutschland über und Mascha Kaléko erlebte von 1918 bis 1938 in Berlin ihre "leuchtenden Jahre vor der großen Verdunkelung".
nSie traf mit bedeutenden Literaten der Zeit zusammen, Tucholsky, Kästner, Lasker-Schüler, schrieb selbst erfolgreich über den Alltag der einfachen Menschen, durchaus mit Witz und satirischem Unterton.
Das alles nahm ihr die Emigration nach Amerika. Mit Mann und Sohn lebte sie fremd, sehnend und mittellos in dem Land, wo "business die erste Religion" ist, wie es in einem ihrer Texte heißt.
1960 ging sie ihrem Mann zuliebe nach Israel, wurzelte dort auch nicht und starb 1975 auf einer Reise in Zürich.

Immer mischten sich beim Konzert in der evangelischen Kirche Fröhlchkeit und Trauer, Wehmut und Zuversicht, Härte und Zärtlichkeit in den Gedichten, den jiddischen Liedern und der instrumentalen Klezmer-Musik. Das Spiel mit Geige (Bernstein) und Gitarre (Lüdecke) wirkte in Melodik, Harmonik sowie Rhythmik komplett und lebendig, so dass diese Kleinstbesetzung kein weiteres Instrument vermissen ließ.
Die Gesänge klangen eindeutig nach Herzblut, auch wenn man sich bei beiden Musikern besser fundiertes stimmliches Vermögen wünschen mochte. Doch wenn Bernstein mit unbeugsamer Sanftheit auswendig Gedichte und Liedtexte rezitierte, schien sie in die Haut der Dichterin zu wachsen und lenkte mit ihr den Blick auf die Wichtigkeiten des Lebens.

Nach vielen Schicksalsschlägen schrieb Mascha Kaléko in ihrer letzten Lebenszeit: "Ich freue mich, das ist des Lebens Sinn, ich freu mich, dass ich bin." Und im selben Gedicht folgt: "Da kann man, wie vorgeschrieben, sich selbst und auch die Andern lieben." Keine Kleinigkeit, die die Zuhörer nach begeistertem Applaus und einer Zugabe mit nach Hause nahmen.