Nettetal:
Hüsch-Text trifft auf Klezmer-Musik
Sie jammerten und jauchzten, lamentierten und lachten, winselten vor Trauer und wieherten vor Lebensfreude, die Violine und das Akkordeon und die Gitarre. Der vermeintliche Zwiespalt spiegelte wider, was Klezmermusik ausmacht. Sie stammt ursprünglich von deutschstämmigen Juden im osteuropäischen Exil: ein bisschen Swing und ein bisschen Volkstanz und ein bisschen Chanson mit Wehmut und Weltschmerz, Heiterkeit und Hoffnung, verschmitzt und gewitzt. Wie Texte von Hanns Dieter Hüsch, den Bernstein liebevoll einen "philosophischen Clown" nannte.
"Ich sing für die Verrückten", ein Hüsch-Text, prägte den Abend: Geknechtete, gehetzte Menschen beschrieb der 2005 gestorbene Dichter, die "nachts vom Erdboden verschwinden". Juden damals, Türken heute, die Warnung vorm Faschismus gilt jederzeit - eine der Botschaften des Konzerts, für das sich das Publikum mit stehenden Ovationen bedankte. Bei aller Ernsthaftigkeit und Hintergründigkeit war es ein unterhaltsamer Abend. Bestes Beispiel, als Peter Hohlweger mit dem Akkordeon einen Song intonierte, der so symbolhaft-traurig schildert, wie das Kalb zur Schlachtbank geführt wird. Und der doch so hoffnungsvoll stimmt, weil überm Untergang die Schwalbe am Himmel als Zeichen der Hoffnung fliegt. "Dana Dana" heißt dieses jiddische Lied, bekannter in der englischen Fassung als Hit "Donna Donna".
Melancholisch und doch munter besang Gitarrist Achim Lüdecke wie ein Schlawiner seine Liebste, für die er alles verkauft, bis er nichts mehr hat - und sich dabei seufzend nach Gemüsesuppe sehnt - Bortsch müsse man haben. Suppe und Seele, das passte so gut zusammen wie Bernsteins Gag, den Niederrheiner Hüsch ausgerechnet auf Sächsisch zu lesen. Hüsch hätte seine Freude gehabt, er, der seine Frage, wolle man die Welt lieben, selbst so beantwortet: "Ich möchte sagen, wir wollen es üben."